Stones: Seite 38

Du und dein Boss

Teamwork sieht bei uns so aus. Er sagt, er brauche das und das ganz dringend. Morgen Nachmittag etwa. Ohne das kann er nicht weiterarbeiten. Also macht man es und gibt es ihm. Es ist nicht ganz fertig und man weiß genau, dass er nur einmal reinblicken muss und sofort Änderungswünsche haben wird. Er erklärt, dass er ganz dringend für eine Woche wohin muss und dort wird er es nebenbei bearbeiten. Er kommt wieder, hatte aber bisher keine Zeit, aber die nächsten vier Tage ist er wieder woanders und da wird er’s ich mal die Zeit nehmen. Woche um, auch das Wochenende, Montag. Er steht vor mir und fragt, ob ich das mit einarbeiten könne, was ein anderer Zuarbeiter ihm geschickt hat. Klar, das kommt dann per mail mit dem aufmunternden Abschlusssatz, dass es dann ja richtig losgehen könne. Ich schicke es ihm. Heute kommt er kurz reingesprungen, sucht jemanden, sieht mich und sagt, dass heute Abend genau der Abend ist, an dem er endlich die Zeit hätte..
OK, ich mach’s ja auch manchmal so, mit dem Unterschied, dass ich dafür angekackt werde. Eigentlich würde es mir auch am Arsch vorbeigehen, wäre es nicht der Fortsetzungsantrag für meine Arbeitsstelle und würden wir nicht schon seit März damit rumeiern. Aber ich sage euch, es geht mir am Arsch vorbei, der ganze Laden hier. Mittlerweile stelle ich mich auf Plan B ein der da lautet: die letzten sechs Monate meiner Stelle werde ich noch Daten produzieren, die nach Arbeit aussehen, werde dann in zwei Monaten 200 Seiten auf englisch zusammenmurxen, die entfernt nach einer Abschlussarbeit aussehen und damit werde ich durchkommen. Ich kenne den Laden, eine drei ist locker drin, irgendwas mit zwei noch wahrscheinlicher. Und in ein paar Jahren interessiert sich dafür eh kein Schwein mehr, dann zählen nur noch Skills und die Tatsache, dass ich zu den 0,9 Prozent der Bevölkerung gehöre, die sich diesen Scheiß angetan haben und ich werde stolz das entsprechende Kürzel vor meinem Namen tragen. Die Wissenschaft kann mir im Moment gestohlen bleiben.

14. Oktober 2008, 12:22 von Andreas Jahn Kommentare

Bankrotte Staaten

Oh mein Gott, nicht schon wieder die Finanzkrise. Doch, aber nur ein bisschen.
Es geht mir um einen bestimmten Staat, der in den letzten Jahren zur Selbstdemontage neigt. Vor einem Jahrzehnt wurde er noch als die letzte verbliebene Supermacht bezeichnet. Von Hypermacht war die Rede. Vom Hegemon.
Seitdem hat er sein Kapital in etlichen Kategorien gründlich aufgebraucht und lebt von der Substanz. Es begann mit dem moralischen Kapital. Er hat gelogen, das machen Staaten und ihre Oberhäupter manchmal, und hat sich für Jahre über internationales Recht hinweggesetzt. Wer glaubt heute noch, dass dieses Land der Hort der Freiheit ist, dass seine Institutionen Modellcharakter für die Welt hätten?
Aber man tat es, weil man sich im Krieg wähnte. Und darum fing man den Krieg an. Gleich zwei davon. Man begann damit, seine machtpolitischen Mittel zu verbrennen. Neben Material und Geld war das vor allem die wichtigste Ressource, der Idealismus der Menschen. Heute hat niemand mehr Bock auf Propaganda und keiner hat mehr Lust, sich irgendwo am anderen Ende der Welt abknallen zu lassen, um dort Freiheit und Demokratie zu verbreiten. Selbst wenn es plötzlich dafür gute Gründe gäbe.
Und teuer war die Aktion. Man hatte ja so schon nicht besonders gut gewirtschaftet, aber die Kriege haben das Land bisher so viel Geld gekostet, dass es gemessen an der Wirtschaftsleistung heute schon wieder halb so hoch verschuldet ist, wie nach seinem Existenzkampf im Zweiten Weltkrieg. Ganz ohne Existenzkampf, einfach aus ideologischen Gründen.
Finanzieren wollte man das mit einem durch ein Leben auf Pump generiertem Wirtschaftswachstum, was allerdings nach hinten losging, weil das dem Bürger gepumpte Geld irgendwann verkonsumiert war und deren Privatinsolvenzen die Gläubiger in den Abgrund rissen. Nun hat man nicht nur die Rezession, die man damit abwehren wollte, sondern muss auch noch die halbe Finanzbranche aufkaufen, um das System nicht kollabieren zu lassen. Steuerausfälle, Neuverschuldung, totaler Imageverlust. Auf Jahre wird man dem Land die Schuld am global wirkenden Desaster geben.
Was ist aus den sonstigen Stärken des Landes geworden. Der Way of Life? Der ist zum Werbeklischee verkommen, wirkliche Freiheit gibt’s kaum noch und wurde von den religiösen Konservativen stranguliert. Außer politisch korrektem Entertainment hat auch die Kultur nicht mehr viel zu bieten. Unlängst schloss ein Mitglied des Nobelpreiskomitees die Nominierung eines Autors aus diesem Land für den Literaturnobelpreis aus, da sie einfach zu ungebildet wären.
Übertrieben harte Worte. Aber eine Frage bleibt zum Schluss: gibt es noch eine positive Sache, für die dieses Land steht? Hat es außer einem breitspurigen Auftreten noch eine besondere Bedeutung in der Welt? Derzeit ist es in vieler Hinsicht bankrott und bedarf einer Erneuerung. Wollen wir hoffen, dass sie bald einsetzt und keine wirkliche Bedrohung dazwischenkommt.

13. Oktober 2008, 16:22 von Andreas Jahn Kommentare

Euphemismus des Tages 44

Es gibt große Angst, dass die Finanzkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt..

Realwirtschaft vs. Finanzwirtschaft. Na wenn das mal keine fundierte Einschätzung der Bedeutung der Bankenbranche ist..

8. Oktober 2008, 12:22 von Andreas Jahn Kommentare

Ramadan für Neueinsteiger

Gerade kam mein Chef mit einer großen Kiste türkischem Süßkram vorbei und verteilte freigiebig. Einer unserer Diplomanden hatte sie als Geschenk zum Ende des Ramadan bei ihm abgestellt und damit gleich was für das interkulturelle Miteinander getan. Nette Geste.

7. Oktober 2008, 17:30 von Andreas Jahn Kommentare

Wie schön..

Die Köpfe der Exekutive haben beschlossen, dem kleinen Mann die Sorgen um sein Erspartes zu nehmen und staatliche Garantien für diese Bankeinlagen auszusprechen. Das bedeutet,..

.. dass er im Falle eines umfassenden Kollapses des Bankensektors über das Mittel der Staatsverschuldung nicht nur sich selbst sein Geld ersetzt, sondern auch allen anderen.

Um es noch mal deutlich zu machen: ohne Garantiepaket verlöre er sein Geld. Mit Garantiepaket verlöre er sein Geld und würde zusätzlich all jenen, die mehr als er besitzen helfen, ihre Verluste zu veringern. Ich bin begeistert.

7. Oktober 2008, 14:27 von Andreas Jahn Kommentare

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