Das depressive Land
Jeden Tag fällt es mir beim Radfahren auf: dieses Land ist kollektiv suizidgefährdet. Permanent trachten Menschen aller Altersgruppen danach, sich mit einem beherzten Sprung vor mein Fahrrad zu entleiben und ich muss mich schon sehr anstrengen, mich nicht der aktiven Sterbehilfe schuldig zu machen. Jede Gelegenheit zur Finalisierung ihres Lebens nutzend, strömen sie aus Haustüren, Bussen oder einfach vom Gehweg auf die Fahrradspur, immer aufs Neue vom Irrglauben geleitet, dass wenn sie mich nicht anschauen, ich ihnen diesen Gefallen tue würde. Doch auch ich habe meine Stolz und lasse mich nicht so schnell zum Täter machen.
Wenn ich dann nach verärgertem Anklingeln in ihre verängstigten Augen blicke und dort Schrecken und Verzweiflung über ihre missglückten Versuche sehe, dann tun sie mir aber auch wieder leid, die kleinen Lemminge. Sollen sie ihren Willen bekommen, aber bitte nicht von mir.
Doch auch Hoffnungsvolles sehe ich. Die Jugend ist da anders. Schon Dreijährige können, wie gestern erst gesehen, am Straßenrand lebensbejahend stehenbleiben und auf den Verkehr achten. Macht weiter so! Das Leben hat so Vieles zu bieten, lasst euch nicht von der Lethargie der Erwachsenen anstecken!
11. Mai 2006, 12:39 von Andreas Jahn