Stones: Ich bin verwundert

Ich bin verwundert

Gestern habe ich mir ein Buch gekauft: ‘Deutsche Mythologie’

Schon klar, mit der Reaktion habe ich gerechnet und ich hatte auch ziemliche Bauchschmerzen beim Kauf, zumal das Cover von einer erwachenden Schönheit verziert wird, welche im präjugendstilen Kaiserzeitskitsch gemalt wurde. Aber schon in der Einleitung wird deutlich gemacht, dass sich der Autor des dünnen Eises wohl bewußt ist, auf das er sich da wagt und er keinerlei Absicht hat, irgendwelche braunen Geister zu wecken oder Urtugenden zu glorifizieren.
Wenn man sich mit diesem Gedanken erstmal angefreundet hat, wird auch der befremdliche Buchtitel verständlich. Diese Mythologie bezieht sich ganz ausdrücklich auf den südgermanischen Volksglauben und Aberglauben, wie er sich von dem bekannteren des Nordens abgrenzt (isländische Sagas, die Edda, etc.). Eigentlich sehe ich unter Ausklammerung des Humbugs, der im Zwanzigsten Jahrhundert verzapft wurde, auch nichts Schlimmes an einer Beschäftigung mit unserer eigenen vorchristlichen Mythenwelt, zumal die griechische oder indische auch völlig unverdächtig ist. Doch genug mit diesem Rechtfertigungs-blabla.

Obwohl ich erst ein paar Seiten gelesen habe, stehe ich jetzt bereits vor ersten faszinierenden Beispielen althergebrachter Traditionen und Vorstellungen, die sich untergründig bis heute erhalten haben. So ist die Angst vor einer schwarzen Katze auf die alte Idee zurückzuführen, dass die Seelen Verstorbener sich in der Natur und damit auch in Tieren manifestieren. Genauso bringt der Storch nicht direkt die Kinder sondern er fängt die Seelen in den dunklen trüben Wassern der heimischen Seen und überbringt sie dem neu zur Welt Kommenden. Auch Formulierungen wie ‘er kommt zu sich’, ‘er ist aus der Haut gefahren’ oder ‘ich stand neben mir’ werden auf alte Seelenwanderungsvorstellungen zurückgeführt. Werwölfe als Mischform zum Tier wurden ernstgenommen, wie die Order des dänischen König Knuts im 11.Jh. zeigt, dass seine damals relativ neuen Priester gefälligst die Schafherden vor ihnen zu schützen hätten. Hausgeister gabs eigentlich überall und auch wenn der Poltergeist auf dem Dachboden allerlei Schabernack anrichtet, so galt er doch als wohlmeinender Schutzgeist des Hauses. Gleiches gilt übrigens auch für den eigenen Schatten. Daher auch das Unwohlsein im Dunkeln, wenn sich der Schatten verliert und er uns mit den verirrten und verwirrten Seelen und Geistern der Dämmerung und Nacht allein lässt… grusel..

Ich finde sowas aufregend und erstaunlich anziehend.

22. Mai 2006, 16:33 von Andreas Jahn

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