Stones: Wiehernder Amtsschimmel

Wiehernder Amtsschimmel

Wir erinnern uns:

- bisher war ich ‘beschäftigungssuchend’

- bisher war ich staatlich alimentiert

- bisher war mit meinem Diplomschnickschnack beschäftigt

- ab 01.11. habe ich einen Job

- ab 01.11. habe ich endlich sowas wie ein Einkommen

Daher ist es nur logisch, sich beim Jobcenter abzumelden und sie nie wider sehen zu wollen. Das habe ich nun auch getan, aber irgendwie habe ich mir den Vorgang einfacher vorgestellt, als er unter realistischen Bedingungen zu bewerkstelligen ist:

Gestern gabs Post vom Amt, in der ich im typischen “Wenn Sie nicht binnen blabla, dann werden wir blabla”-Stil aufgefordert wurde, meine Einkommensverhältnisse offenzulegen, damit über die weiteren Leistungen entschieden werden kann. Mein erste impulsive Reaktion war: ‘die können mich mal
bitte in Ruhe lassen!’. Schließlich will ich doch gar nichts von denen, was geht die das denn jetzt noch an? Weit gefehlt, ein Anruf im zuständigen Call-Center ergab (Sachbearbeiter sind grundsätzlich nicht zu erreichen und nur über Call-Center-vermittelte Vorsprech-Termine zu kontaktieren), daß ich erst eine Einkommensbescheinigung meines neuen Jobs einreichen muß, dessen Betrag dann mit meinen Leistungen verrechnet wird, woraufhin dann entschieden wird, ob ich noch Ansprüche geltend machen kann, die ich dann akzeptieren oder ablehnen könne, so dass ich mich DANN endlich von der Arbeitslosigkeit verabschieden darf. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Die Einkommensbescheinigung gibts erst, wenn ich hier im Museum vorbehaltlos als Mitarbeiter registriert bin, also erst ab Vorlage meines Diplomzeugnisses, welches erst ausgestellt werden kann, wenn die Diplomarbeitsbewertungen eingetrudelt sind und der Prüfungsausschuß getagt hat, wobei die Deadlines für meine Gutachter noch in weiter Ferne liegen..

Toll. Wenn wundert es, wenn die Arbeitslosenzahlen nicht sinken wollen, kein Wirtschaftsaufschwung hält so lange an, daß alle plötzlich Neueingestellten von ihrem Sachbearbeiter so schnell durchgewunken werden könnten, um noch vor der nächsten Rezession ins Arbeitsleben integriert zu werden.

Aber ich will mich nicht aufregen, denn die Angelegenheit hat auch positive Seiten. Schließlich zahlt das Amt erstmal weiter und auch im Museum gibts für akzeptierte Kandidaten des Mitarbeiterstatus’ Abschlagszahlungen. Demnach stört es mich wenig, im Gegenteil, das Amt finanziert damit meine Anlaufphase, auch wenn sie die Kröten später wieder zurückhaben wollen.
Während man sich also Mitte November im Amt schweren Herzens dazu durchringt, mich von meiner Anspruchslosigkeit auf weitere Leistungen in Kenntnis zu setzen, werde ich gerade völlig legal Urlaub machen und den Sonnenschein geniessen. Bildlich gesprochen surfe ich auf der Welle der Entropie, anstatt mich von ihr ersäufen zu lassen, das ist auch mal ein schönes Gefühl.

26. Oktober 2006, 16:34 von Andreas Jahn

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