Stones: Hellenika IV

Hellenika IV - Kerkyra

Aaahhh, so habe ich mir das vorgestellt. Diese herrliche Insel spart nicht mit ihren Reizen und während man in der gleichnamigen Hauptstadt an Land geht vergisst man über das abendlich Zirpen der Zikaden gern, dass man sich an einem Brennpunkt hellenischer Machtpolitik befindet. Aber daran werden wir gleich erinnert, denn unser Schiff wird erstmal von der Hafenpolizei gefilzt. Im Nachhinein erscheint es wohl nicht sehr weise, mit einem Schiff aus Ambrakia überzusetzen, denn Ambrakia ist eine Kolonie der Korinther und mit den Korinthern liegen die Kerkyraeer im Dauerstreit. Genau so wenig erfreut starrt uns die an der Kaimauer zusammengelaufene Menschenmenge auch an..
Eigentlich war Kerkyra vormals selbst eine Kolonie Korinths, bis sie sich von der Mutterstadt löste und wie man so munkelt, das auf eine recht befremdliche Art und Weise tat. Einst hatte sich der Tyrann von Korinth, jetzt ist mir doch sein Name entfallen, mit seinem bevorzugten Sohn zerstritten und ihn als Gouverneur nach Kerkyra geschickt. Nach einigen Jahren spürte der alte König sein Ende nahen und wollte sich mit ihm wieder versöhnen, damit sein einziger regierungsfähiger Sohn die Herrschaft in Korinth übernehmen könne. Aber der lehnte mehrere Gesuche ab, bis man sich darauf einigte, einfach die Posten zu tauschen. In dem Moment meldeten die Kerkyraeer, die den Alten bei sich nicht haben wollten, ihren Einspruch an, indem sie einfach den Thronerben lynchten. Als Strafe entführte der Alte die Söhne der dreihundert edelsten Familien von Kerkyra und schickte sie zu den Persern nach Sardes, um sie kastrieren zu lassen. Zu ihrem Glück wurde auf Samos ein Zwischenhalt eingelegt, wobei die Jungen in ein Heiligtum flüchten und sich damit retten konnten. Seitdem schadet man sich, wo man nur kann und es ist kein Wunder also, dass hier die Stimmung etwas gereizt ist. Auch wenn Korinth viel größer und mächtiger ist, hat Kerkyra die stärkere Flotte und macht seiner alten Mutter die Herrschaft am Golf von Ambrakia streitig.
Und dieses Gezänk wird noch weitreichende Folgen haben, denn die Korinther bauen nun selbst an einer schlagkräftigen Flotte. Um den Einfluß beider Städte im illyrischen Epidamnos wird sich der Konflikt noch verschärfen, bis sich die Kerkyraeer an Athen wenden und im Gegenzug für deren Beistand ihre Flotte dem attischen Seebund unterstellen werden. Das daraus resultierende Kippen im Gleichgewicht der Mächte wird den Peloponnesischen Krieg auslösen und das Mittelmeer von Karthago bis Persien ins Chaos stürzen, aber davon ist an diesem angenehm lauen Abend noch nichts zu spüren.
Die Bürgerschaft hat sich mittlerweile davon überzeugt, dass mit uns keine Umstürzler oder Spione auf die Insel gekommen ist sondern nur die üblichen Pendler und meine Wenigkeit. Die Menge zerstreut sich und ich kann mich im Hafen umschauen, irgendwo muss man hier doch einen Krug Wein bekommen können..

22. Februar 2007, 14:53 von Andreas Jahn

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