Stones: Hellenika V - Der König der Ziegen

Hellenika V - Der König der Ziegen

Das war ja ein kurzer Besuch auf Kerkyra, aber lange bleiben kann man da trotz der tollen Landschaft nicht. Zur Zeit eskalieren mal wieder die Spannungen zwischen der Adels- und der Volkspartei und keine kann sagen, wann es anfängt blutig zu werden. Zum Glück hat mich der Händler aus Ambrakia auf seiner Rundtour über die Ionischen Inseln wieder aufgenommen und nachdem wir gleich mit dem ersten Hahnenschrei aufbrachen sind wir nun schon kurz vor unserem nächsten Ziel. Wir segeln bereits die Küste dieser kleinen Insel entlang, deren Name wohl einen Jeden aufhorchen lässt: Ithaka.
Wer kennt sie nicht, die Geschichten Homers, die nach dem Fall Trojas nach zehnjähriger Belagerung das weitere Martyrium Odysseus’ schildern. Ein Großteil mag der dichterischen Freiheit entspringen, aber die Ithaker hatten in der mykenischen Epoche eine dominante Stellung auf den ionischen Inseln inne und nahmen gemäß der Überlieferung mit 12 Schiffen am Feldzug gegen Troja teil. Unterdessen blieb des König Odysseus’ Vater Laértes als alter Mann zurück, unfähig sich der Bewerber um den Thron zu erwehren, während seine Mutter bald vor Gram um ihren verschollenen Sohn starb.
Königtum und Thron, das klingt großartig, aber man muss es wohl in der Bedeutung relativieren. Diese Inseln waren schon damals was sie heute sind, unwegsame und steinige Viehweiden. Mag sein, dass in den frühen Tagen der Bronzezeit, lange vor dem Sturm der Seevölker und des Dunklen Zeitalters, als sich die helladischen Händler bis ins zinnreiche Cornwall wagten, die natürlichen Häfen wichtige Ankerplätze und Stützpunkte boten. Aber sonst gibt die Insel nicht viel her. Ackerfläche ist knapp, Erze oder andere Rohstoffe gibt es nicht (wenn man von etwas Wald absieht) und selbst Häuser haben in dieser steilen Landschaft keine lange Lebensdauer, da Erdbeben und Erosion alles irgendwann ins Meer befördern.. Eine Ausnahme bildet eine Befestigungsmauer auf dem Berg Aetos, aber wer die ‘kyklopische Mauer’ angelegt hat, kann heute keiner mehr sagen. Nicht mal Pferde kann man hier züchten, denn sie würden sich auf den steilen Weiden die Beine brechen, mit Strassen kann man bei dem Gefälle auch wenig anfangen.
Den ganzen Reichtum des Landes bilden Schafe und Ziegen, deren Gemeckere uns schon seit Stunden von Land her begleitet. Langsam bahnt sich das Schiff seine Weg in den Hafen von Vathi (was eigentlich auch Hafen bedeutet). Er ist klein und man sieht sofort an den wenigen Häusern, dass die stolzen Zeiten lange vorbei sind. Viele Menschen leben hier nicht mehr. Mit der Einwanderung der Dorer hat die Insel ihre relative Selbstständigkeit verloren und ist schon seit Jahrhunderten im Besitz Korinths.
Ja, zugeben, im Grunde ist die Insel totlangweilig und man muss fragen, warum ich eigentlich hergekommen bin. Es ist eben Ithaka, da muss man einfach mal gewesen sein. Also mache ich das Beste draus, setze mich an den Strand und träume von den alten Tagen, in denen man sich noch durch die Herrschaft über ein paar Schafe und Schiffe zum Kreis der Könige zählen konnte.

23. Februar 2007, 16:33 von Andreas Jahn

Stones: Hellenika V - Der König der Ziegen

Hellenika V - Der König der Ziegen

Kommentare

Links

Kategorien

Meta