Mein Senf zum... Afghanistan-Krieg
Ein Tagesschau – Kommentar hat kürzlich noch mal die prekäre politische Lage der Deutschen im Afghanistan-Krieg beleuchtet. Die Grundthese war, dass wir uns im Norden des Landes verstecken und hoffen, dass uns niemand zu ernsthaften Kampfhandlungen im großen Maßstab heranzieht, wozu die Nato-Partner ein Recht hätten, denn schließlich wurde nach 9/11 der Bündnisfall ausgerufen. Würden wir uns dem verweigern, kämen wir unseren Pflichten nicht nach. Das sähe für Deutschland nicht nur verheerend aus, das würde auch massiv das Bündnis entwerten. Andererseits waren wir ja noch nie begeistert vom Krieg am Hindukusch und eine Ausweitung deutscher Aktivitäten in den Süden, würde nicht nur die große Koalition spalten, es würde überhaupt den Bundestag ins Chaos stürzen.
Harter Tobak. Ich habe das gleich mal nachrecherchiert und so wie ich das sehe, kann man zur rechtlichen Grundlage unserer Präsenz vor Ort geteilter Meinung sein.
Tatsächlich ist es so, dass nach dem 11.September der Bündnisfall ausgerufen wurde. Dieser erlaubt gemäß Nato-Satzung den Mitgliedsstaaten Gewalt zum Schutz des Bündnisses anzuwenden und zwar so lange, bis die Uno die Sache übernimmt und die akute Gefahr gebannt ist. Was man danach mit der Uno zusammen unternimmt, steht auf einem anderen Blatt. Gut, unterstellen wir, die Taliban wären ein staatsähnliches Gebilde, dass die USA angegriffen hat oder zumindest den Tätern Unterschlupf gibt, auch wenn das invasorische Verteidigungsrecht im zweiten Fall schon wieder fraglich wäre. Also angenommen, der Krieg der USA im Herbst und Winter 2001 wäre damit in Ordnung gegangen, dann hätten wir da auch mitmischen können. Bündnisfall eben. Aber da wäre der Feldzug eh schon zu Ende gewesen, bevor das Verfassungsgericht das ausdiskutiert hätte.
Jedenfalls hat die Uno dem sich neu konstituierenden Staat eine Schutztruppe an die Seite gestellt, die ISAF. Die hat vom Sicherheitsrat friedenserzwingende Befugnisse bekommen, sie darf also ohne Einverständnis der Konfliktteilnehmer für Ruhe sorgen. Das ist übrigens eine Kompetenz, die neben dem Beobachten und Beschützen (im Einverständnis mit den Konfliktparteien) die dritte Kernkompetenz, die UN-Blauhelme an sich haben müssten, aber das ist wieder eine Rechtslücke, die man seit der Uno-Gründung noch nicht hat schließen können. Also wurden wieder von der Uno, wie auch im Korea- oder zweiten Golfkrieg Einzelstaaten oder Bündnisse ermächtigt, den Frieden zu erzwingen. Das ISAF-Mandat galt erst für Kabul und wurde später aufs ganze Land ausgeweitet. Damit gibt es formell in ganz Afghanistan keinen Fleck mehr, der nicht vom Uno-Mandat abgedeckt ist. Also ist der Nato-Bündnisfall erledigt. Aber er besteht noch. Und er ist bis heute, also nur 7 Jahre nach der Ausrufung, noch immer nicht mit einer erfüllbaren Zielsetzung versehen worden. Ironischerweise könnte man uns in jeden Konflikt mit hineinziehen, der zwischen der Nato und terroristenbeherbergenden Staaten ausbricht, solange die Beweislage klar ist. Aber gerade in Afghanistan gibt es keinen Rechtsanspruch der Nato-Partner auf deutsches Engagement, dort gibt es nur Selbstverpflichtungen gegenüber der Uno und bündnisinterne Solidarität. Trotzdem kann es nicht schaden, wenn man nach der Aufregung vom 9/11 langsam mal wieder institutionalisierte Pfade beschreitet und vom unbürokratischen Aktionismus abrückt.
17. Juni 2008, 13:06 von Andreas Jahn