Stones: Das übl(ich)e Spiel mit den Zahlen II

Das übl(ich)e Spiel mit den Zahlen II

Wie viel verdient man eigentlich in diesem Land und was steht einem zur Verfügung? Zu dieser Frage werden öfters Pressemitteilungen und statistische Daten in den Raum geworfen, aber bisher haben die mich nur wenig schlauer gemacht, weil sie meist vage oder schlecht vergleichbar waren. Trotzdem interessiert mich das, zumal man sich ja auch selbst bzw. die eigenen Erwartungen/Hoffnungen für die Zukunft einschätzen möchte. Hier fand ich was brauchbares:

Auf den ersten Blick sieht man die Erwartungen bestätigt; da gibt es eine großen Anteil mit Haushalten, die um die 1000€ zur Verfügung haben und einen in der Masse immer noch breiten Anteil von Leuten mit 2-,3- oder 4000 € am Monatsende. Also Geringverdiener und Mittelschicht.

Nun fiel mir aber auf, dass sich auf der Y-Achse die Gruppen-Breiten verändern. Da bilden z.B. die Leute von 1,3 bis 1,5 tsd. € eine Gruppe, während die von 3,2 bis 4,5 tsd. € auch eine bilden. Seltsam. Also habe ich in 100€-Schritten geschaut, wie viele 100er- Schritte in eine der obigen Gruppen passen, und somit gleiche Intervallgrößen hergestellt. Wenn also 4,3 Mio Haushalt in der 500-900€ Gruppe stecken, dann sind es jeweils 1,075 Mio in den Bereichen 500-600€, 600-700€ usw. (die Sonstigen wurden weggelassen).

Dadurch kam natürlich eine ziemlich kantige “Kurve“ zustande und die sieht nun so aus:

Ich muss zugeben, dass mich das ziemlich erstaunt hat, eine so deutliche Abnahme nach oben hätte ich nicht erwartet. Wohl gemerkt handelt es sich hier um eine Vereinfachung. In den Haushalten kann nur ein Einzelner leben oder auch eine 5-Kopf-Familie mit 2 Erwerbspersonen, das wird hier nicht unterschieden. Unterstellt man jedoch einen Zweipersonen- Haushalt mit zwei Verdienern, in denen jeder 1,5 tsd. € nach Hause bringt, dann gehört man anscheinend schon zu den Wohlhabenden.

Aber wie sieht das anteilig aus? Dafür habe ich geschaut, wie viel Prozent die Gruppen der Einkommen von 0-500€, 500-1000€ usw. ausmachen:

Hier sieht man es noch mal schön deutlich, ziemlich genau 70% der Haushalte haben weniger als 2500€ im Monat zur Verfügung oder 1250€ pro Erwerbsperson. Klar, 50% haben tatsächlich 2-4000€ in der Kasse, aber ich hätte bei der Mittelschicht einen “Buckel“ in der Kurve erwartet und keine solch stetige Abnahme (Der Huckel bei 4.5k€ ist ein Artefakt..).

Mich wundert das. Daher nehme ich Anregungen und Kritiken bezüglich Datenquelle, Logik und Auswahlkriterien gern entgegen.

25. Februar 2010, 12:56 von Andreas Jahn

Kommentare

Hm, eigentlich finde ich das gar nicht so überraschend. Die Einteilung der Gesellschaft in Klassen wie “Unterschicht” und “Mittelschicht” scheint mir historisch gewachsen, nämlich im 19. Jahrhundert verwurzelt. Tatsächlich hätte ich erwartet, dass man sich ab einem gewissen Schwellenwert zur Mittelschicht zählen kann, nämlich dann, wenn man neben seinen zwangsläufigen Ausgaben noch etwas ansparen und sich dann ab und zu was schönes kaufen kann. Das Thema hattest Du ja auch neulich. Da aber unsere Tarifverträge sehr schön, fast graduell gestaffelt sind (meist nach Ausbildungs- und Erfahrungsgrad) und darin kein großer finanzieller Sprung in der “Leiter” vorgesehen ist, sollten sich die Einkommensverhältnisse stark an den durchschnittlichen Ausbildungs-/Erfahrungsgrad anlehnen. Wenn dieser, extrem vereinfacht gesagt, an die geistigen Kapazitäten gekoppelt ist, sollte in einer homogenen Population eine Kurve ähnlich einer Normalverteilung zu erwarten sein. Interessant ist, dass der Peak in Deiner Kurve so stark zur Geringverdienerseite verschoben ist – genau das ist die Ungerechtigkeit, die momentan so angeprangert wird. Die Gehälter steigen auf der Hochverdienerseite disproportional zur eigentlichen geistigen Leistung an… (ich hoffe diese Argumentation ist nicht allzu krude!)
— Antenne 25. Februar 2010, 20:04 #
Das sehe ich schon ganz ähnlich und im Grunde sind wir auch Teil des Systems, wenn wir uns mit unseren Ausbildungsabschlüssen nach oben abzusetzen versuchen, anstatt uns mit den nicht so Begüterten zu solidarisieren.

Spannend ist auch, dass in der Hartz-Debatte vom Rürup darauf hingewiesen wurde, dass die Hartz-Reform eigentlich mal zum Ziel hatte, den Niedriglohnsektor zu aktivieren bzw. neu zu entwickeln (Lohn-Aufstockung etc.). Der gleiche Mechanismus wird nun verwandt, um zu demonstrieren, dass die ALG II-Empfänger mehr bekämen, als die Niedriglohnarbeiter, was entsprechend ungerecht sei. Solche Abwärtsspiralen schieben den Peak nur weiter runter und die Frage bleibt, wo das hinführen soll. Wir haben jetzt schon 7 Mio Menschen im Hartz IV-System und je mehr es werden bzw. die Kosten steigen, desto leichter kann die ‘Oberschicht’ der ‘Mittelschicht’ einreden, dass die ‘Unterschicht’ viel zu viel Geld fürs Nichtstun bekäme.

Das klingt nach linker Rhetorik, aber wenn ich die Vorstöße zur Zwangsarbeit (z.B. Winterdienst) höre, dann kommen mir Marx’s Beschreibungen der britischen ‘Arbeitshäuser’ aus dem 19.Jahrhundert in den Sinn. Dort bekamen Arbeitslose Obdach und eine auf die einzelne Kalorie abgezählte ‘Grundsicherung’ zum Überleben nur, wenn sie den ganzen Tag eine hausinterne Werkstatttätigkeit nachgegangen sind oder Körbe geflochten haben. Alles andere hätten sie ja nur zum Suff oder zur Trägheit animiert.
— Andreas 26. Februar 2010, 11:05 #

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