Stones: gebasht

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Die Ragnarök in meinem Kopf. Ein Vierstundengespräch im Gefolge der nachmittäglichen Kafferunde brachte mich zu Fall. Zwei selbstbewußte Damen schwadronierten über die Kraft des eigenen Willens und die Befähigung, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Ein vertretbarer Ansatz, wär er nicht durchsetzt gewesen vom Vorwurf der Unwilligkeit gegenüber den Unfähigen, von der Gleichgültigkeit gegenüber den Gescheiterten und darwinistischen Selektionsphantasien. Eine Opposition schien mir unabdingbar, wobei sich mein Standpunkt nur im Zugeständnis von Mängeln in der Reflexionsfähigkeit unter den betroffenen Personengruppen unterschied. Ist man nicht das Produkt seiner sozialen Herkunft? Liberalismus kollidierte mit Determinismus. In meiner zahlenmäßigen und redezeitbedingten Unterlegenheit konnten keine Fallbeispiele fruchten, im Gegenteil, sie wurden akribisch seziert und verworfen, immer unter unzulässig beweisender Verwendung jener These, die die Beispiele eigentlich testen sollte. Ich blieb hart, ich gab nach, ich gab Recht, ich bewies das Gegenteil. Es gab ausreichend Gelegenheiten, den Diskurs mit einem gesichtswahrenden Remis abzubrechen, aber damit wollte sich die Gegenseite weder abfinden noch auch nur die Möglichkeit dazu erkennen. Im Bewußtsein der Ambivalenz der Grundthesen, so wie sich Neurologen im Angesicht der biochemischen Bewußtseinssteuerung nie über die Existenz eines freien Willens einigen werden können, erwartete ich, daß sich die Erörterung aufgrund allgemeiner Erschöpfung irgendwann von selbst erledigen müßte und bis dahin wollte auch ich den Rückzug wider Überzeugung verhindern. Es endete im Desaster, als ich bei ermattender Verteidigung plötzlich mit dem Vorwurf der Personalisierung und Identifikation mit meiner Argumentation konfrontiert wurde. Unter dem Verweis auf eigene Mängel und eines vor geraumer Zeit ausgeschlagenen Hilfsangebotes wurde meine materielle Situation im mittlerweile gefüllten Gesellschaftsraum ausgebreitet, ohne eine argumentative Relevanz zu besitzen und mit dem alleinigen Ziel, ob kalkuliert oder nicht ist egal, die eigene Hilfsbereitschaft darzustellen und zu beweihräuchern. Mit Schrecken erkannte ich die Ausweglosigkeit, denn die Fakten waren, wenn auch irrelevant nicht zu leugnen, ein Gesprächs oder Themenabbruch hätte ein verheerendes Bild auf meine Diskursfähigkeit geworfen. Lediglich die teilweise Bestätigung unter der Gegenfrage, ob dies unter Annahme der Richtigkeit des Gesagten nicht ein ausreichender Beweis für den Bedarf nach Hilfe vor dem nach Stigmatisierung sei, blieb mir letztendlich über. Ein Moment, wie man ihn vom Schach kennt, wenn einem die Falle offensichtlich wird. Wie ein Tier, das sich zum Duell gefordert dem Kampf stellt, von der Vielzahl der Häscher überascht sich dem Mob zu entziehen sucht und genau damit in das planmäßig ausgelegte Netz fällt, in dem es seinen Todesstoß erhält. Der Schweiss steht auf der Stirn und das Herz schlägt beunruhigend unregelmäßig bis zum Hals. Ein leichtes Taubheitsgefühl vernebelt das Szenario. Nur nicht vom Stuhl fallen! Bedeutsam war weder der Absicht des Redners, noch die Form des Gesagten sondern allein die Privatheit des Inhalts. Selten habe ich einen Vertrauensbruch so intensiv empfunden. Oder war es doch die schmerzende Wahrheit? Dann wärs richtig gewesen, mit dem Schmerz kommt die Reflexion. Aber wars das? Keine Ahnung. Zum Glück für mein näheres Umfeld vetrieb das Schreiben ein paar düstere Gedanken.

28. April 2006, 19:19 von Andreas Jahn

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