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Wendetagebuch: 28.10.1989

Heute war wieder Schule.
Am Nachmittag waren wir beim Wilhelm-Peck-Lauf. Da haben wir alle mitgemacht. Wir liefen insgesamt 1,4 km um die Schule, an der Küche 2 vorbei, vorbei am Haus 10, vorüber an der Küche 2 und dann durchs Ziel. Ich war zwar nicht der Beste, aber auch nicht der Letzte und es hat Spaß gemacht. Am Abend war dann noch Singen mit Frauke.

Anmerkungen:

- 1,4 km: wenn man klein ist, dann kommen einem solche Distanzen viel länger vor und wenn man klein und pummelig ist, dann noch viel mehr. Heute komme ich ja erst ab Kilometer 3 in Schwitzen..

- es hat Spaß gemacht .. eine glatte Lüge!

- Singen mit Frauke: damals konnte wohl jeder Gitarre spielen. Frauke war ja, wie schon geschrieben, gemäß des Erziehungskonzepts ‘Guter Pilei, böser Pilei’ eher auf der guten Seite. Also kann man sich das als gemütlichen Abend mit Pionier- und Aufbau-Liedern vorstellen. Wenigstens keine Disko..

27. November 2009, 13:06 von Andreas Jahn Kommentare

Schon gewußt?

Der Palast der Republik ist übrigens nicht völlig verschwunden, ein Teil seines Stahlgerüsts wurde an VW für neue Motorblöcke verkauft, die jedoch auch wieder über kurz oder lang auf dem Schrottplatz landen werden. Ein anderer Teil wurde erstaunlicherweise im Burj Dubai verbaut:

Leute die an schlechtes Karma glauben, werden jetzt wissend mit dem Kopf nicken..

27. November 2009, 12:33 von Andreas Jahn Kommentare [2]

Wendetagebuch: 26.10.1989 (Mi)

Hier sind die Annalen des kleinen Thälmann-Pioniers etwas ins Schleudern geraten. Im Tagebuch kommt tatsächlich nach dem 25. der 27., gefolgt vom 26. und 28.Oktober, was ein klares Anzeichen für nachträgliche Aufzeichnungen ist. Zusammen mit der DDR taumelte also auch mein Enthusiasmus für’s Tagebuch dem Ende entgegen.

Heute hatten wir mal wieder Unterricht. Dann hatten wir Hausaufgabenzeit, wobei wir uns beeilen mussten, weil sie bis zur letzten Minute mit Hausaufgaben vollgestopft war. Danach arbeiteten wir am Pflegeobjekt. Da strengten wir uns sehr an, damit alles sauber wird.

Anmerkungen:

- Ich entschuldige mich für die Belanglosigkeit dieses Tages, aber nicht verzagen, morgen gibt’s den Wilhelm Pieck-Lauf, also löscht noch nicht den Link hierher!

- ‘damit alles (schön) sauber wird’.. zum Glück kann ich meine Schleimerei auf’s System schieben. Schließlich wurden im Arbeiter- und Bauern-Staat so manche kleinbürgerliche Attitüde hochgehalten, der man zumindest in der eigenen Außendarstellung Rechnung tragen musste, wenn man nicht Aufmerksamkeit und Unheil auf das elterliche Heim lenken wollte.

23. November 2009, 23:27 von Andreas Jahn Kommentare

Wendetagebuch: 27.10.1989 (Do)

Heute hatten wir den Tag des Friedens. Wir gingen in die alte Turnhalle, wo eine Menge Stände aufgestellt worden waren. Dort konnte man mitmachen beim Pfennigtrudeln, mitmalen bei “Kinder malen für den Frieden”, man konnte Hummeln basteln und Kraniche falten. Vor der Turnhalle konnte man mit Kreide auf den Beton malen. Dann war da noch eine Solidisko. Am Abend war dann noch eine Buchlesung mit Silke aus dem Buch „Darf ich Wilhelm zu Dir sagen?“. In dem Buch ging es um Wilhelm Pieck.

Anmerkungen:

- die alte Turnhalle: natürlich gab es auch eine neue..

- der Tag des Friedens: ob man mit Malereien den Frieden in der Welt sichern kann, lasse ich mal dahin gestellt. Diese Art der Friedenssicherung war ja in Ost wie West weit verbreitet.

- Pfennigtrudeln etc.: Das kann man sich wie einen kleinen Jahrmarkt zum Mitmachen vorstellen. Eigentlich eine nette Sache für Kinder, wäre da nicht die allgegenwärtige Parteilichkeit in der Darstellung gewesen. Überall waren beispielsweise Statistiken, wie viele Kilo Bomben pro Quadratmeter die Amerikaner über Japan, Korea und schließlich Vietnam abgeladen hatten. Die Kurve zeigte natürlich steil nach oben.

Ich erinnere mich gut an einen Film, der da lief. In einem Teil wurde auf einem Blatt Papier (rechteckig) ein schwarzer Punkt gemalt. Das war die Zerstörungskraft der Waffen im Zweiten Weltkrieg. Dann wurden da 20 (oder so) Punkte draus, damit könnte man die Welt unbewohnbar bomben (vielleicht waren es auch mehr Punkte..). Plötzlich wurde das Blatt rabenschwarz von Punkten, das war die aktuelle Zerstörungskraft der Waffen. Uiuiui! Dann wurden ein paar Punkte rausgenommen, was einer möglichen Abrüstung im Rahmen aktueller Bemühungen entspräche. Aaaaber dann hieß es, dass die finsteren Amerikaner statt dessen lieber den Weltraum militarisieren würden (Reagan, der Schlawiner), was dann Folgendem entspräche: dramatisches Rauszoomen, plötzlich waren da 100 neue rabenschwarz zugepunktete Rechtecke.
Da wurde selbst mir klar, dass ich jetzt ganz dringend noch ein paar Bilder für den Frieden malen sollte..

- Solidisko: nicht schon wieder Pet Shop Boys und Modern Talking..

- Die Buchlesung mit Silke (eine Pilei): das ist hingegen meiner Erinnerung entschwunden, es war wohl nicht so spannend. Der Buchtitel und Wilhelm Piek als Thema sprechen da wohl für sich.

20. November 2009, 12:59 von Andreas Jahn Kommentare

Singen mit Siggy Pop..

Hier eine kleine Kostprobe vom Massensingen.

Titel: Die Solidarität wird siegen

Melodie: Glory, Glory, Hallelujah

Refrain:
Die So-lidarität wird sie-gen,
Mana-gua wird nicht unterlie-gen,
die Frie-denstauben werden flie-gen,
über Ni-ca-ra-gua!

1.
Das Volk von Nicaragua hat sich seine Weg gewählt,
und damit aller Welt gezeigt, dass seine Stimme zählt.
Die Amis haben Somozas alte Clique unterstützt,
doch auch das hat nichtts genützt!

2.
Die Solidaritätsbewegung in der ganzen Welt,
ist eine Kraft, die täglich auch auf unsere Arbeit zählt.
Wir fordern: Hände weg vom Volk in Nicaragua,
bleib zu Hause USA!

3.
Wir Thälmannpioniere helfen gerne jedem Kind
und baun ein Heim für alle, deren Eltern nicht mehr sind.
Die Contras haben sie bei ihrer Arbeit umgebracht,
denn sie morden Tag und Nacht.

4.
Aus Cuba leuchtet unser roter Stern in alle Welt
und eines Tages wird auch Grenada neu von ihm erhellt.
Das rote Herz im Volk von Nicaragua weiterschlägt,
dank der Solidarität..

Anmerkung:

Ich bin weder rot noch ziehe ich die durchaus überwiegend positiven Einflüsse der USA auf die Weltpolitik in Zweifel, aber bei der Betrachtung ihres Verhaltens in den letzten 100 Jahren in ihrem selbstdefinierten Hinterhof bekomme ich Pickel.

19. November 2009, 13:24 von Andreas Jahn Kommentare

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