Derzeit lese ich ein Buch, dass mir sehr zu denken gibt. Da schildert ein französischer Philosoph die negativen Folgen der Medienlandschaft auf den sich selbst für mündig haltenden Menschen, seine kognitiven Fähigkeiten und vor allem seinen Nachwuchs, der mit Teletubbies und Zielgruppen-TV schon als Kleinkind zum Soziopathen mit ADS deformiert wird. Natürlich wird von ihm landes- und standestypisch das Ende des Abendlandes antizipiert und ein Hohelied auf die Aufklärung Kant’scher Prägung gesungen.
Aber trotz der Akademiker-Polemik erschreckt mich der Gegensatz den er aufzeichnet (meine Lesart): heute gilt man schon als gebildet und elitär, wenn man viele Bücher konsumiert hat und deren Inhalt adäquat nachplappern kann, während der überwiegende Teil der Gesellschaft die Einäugigen unter den Blinden noch als Streber verhöhnt. Vor zweihundert Jahren noch galt das Buch als Werkzeug der Bewusstseinsentwicklung und jene, die dieser Entwicklungsaufforderung nicht folgten als, als geistig träge, Wissenszitation ohne kritischem Diskurs mit Gleichinteressierten war ein Akt der übertünchten Faulheit. Der wirkliche Intellektuelle publizierte immer und überall, tauschte die Ideen und Ansichten in regen Briefwechseln aus und füllte die Gesellschaft aus Verantwortungsgefühl ihr gegenüber mit seiner Präsenz als moralische/ideologische Instanz.
Gut, das ist alles weit weg, hochgradig idealisiert und technisch überholt. Ich will auch gar nicht rumjammern, wie schlimm heute alles sei, denn das ist es gar nicht, trotzdem möchte ich mit Bezug auf die Überschrift auf die Bedeutung einer kommerzgetriebenen Funktionalisierung von Inhaltsvermittlungen eingehen.
Der heutige Mensch, und da beziehe ich mich ausdrücklich als Beispiel mit ein, wird auf vielfältige Weise durch medial vermittelte Inhalte zugedröhnt. Die in ihrer prätentiösen Form offensichtlichsten Spielarten sind politische Propaganda und profane Unterhaltung. Während jedoch Propaganda bei uns reichlich verpönt ist, genießt das Entertainment das saubere Image des Entspannungsgehilfen für die hart arbeitende Bevölkerung. Wer tagsüber malocht kann auch abends mal in andere Welten abtauchen und sich einen Film reinziehen. Dabei wird gern bagatellisiert, dass sich die Branche in ihrem medialen und Alters – Spektrum extrem ausgebreitet hat und in der digitalen Welt allgegenwärtig ist. Früher gab’s Zeitschriften, die man schnell ausgelesen hatte, Radio, welches nach zwei Stunden auf den Keks geht, und eine Hand voll Fernsehsender. Heute hat sich die Senderzahl verzehnfacht, es gibt auf Endlosigkeit konzipierte Computerspiele und eine unbegrenzte Mediathek namens Internet. Hat man den richtigen Netzanschluss kann man sich den ganzen Tag mit Youtube-Videos berieseln oder Warcraft-Orcs erschlagen. Ziel und Zweck dieses Überangebots an Entertainment ist schlicht das Gewinnstreben der Entertainer und Anbieter von Plattformen zur Werbungsplatzierung. Dafür wird in Kauf genommen, dass die gesamte nachwachsende Generation ein dauerhaftes mediales Branding erhält. Das klingt vielleicht übertrieben und alarmistisch, aber die Zahlen sprechen für sich. Zwei Drittel der Kinder in den USA haben spätestens bis zum dritten Geburtstag einen Fernseher in ihrem Zimmer. In den Unterschichten Großbritanniens sollen es bis zu 75% sein. Das ist doch Wahnsinn.
Hier geht’s nicht um mögliche Inhalte des Fernsehens sondern um die prägende Wirkung auf die Hirnstrukturen. Man stelle sich vor, ein Kind würde nicht durchschnittlich vier Stunden täglich vorm Fernseher sitzen sondern eine oder mehrere Sprachen lernen. Täglich. Über viele Jahre. Da bekommt man umgekehrt eine Vorstellung, welche Potentiale in den Köpfen durch das Anti-Training nicht nur verkümmern sondern direkt zerstört werden.
Ich selbst habe als schon in den Siebzigern geborenes Kind meine Probleme, mich der medialen Bannkraft zu entziehen. Neben der Glotze locken mich noch immer Computerspiele, denen ich Tage opfern könnte und auch opfere, und bei jedem flackernden Bildschirm falle ich ins Wachkoma. Das ist konditioniert, das geht direkt ins Lustzentrum, das geht so weit, dass es in direkter Konkurrenz zu meiner Selbstbestimmung als bewusstes Individuum steht und ich ihm manchmal einfach erliege. Was soll dann erst aus den Kindern werden, die in eine perfekte Unterhaltungslandschaft hineingeboren werden und die mit sechs Jahren schon so durchgedröhnt sind, dass die Lehrer als real existierende, vor ihnen stehende, erwachsene Machtsymbole nicht mehr genug Bannkraft besitzen, im ihre Reizschwelle zu überwinden, so dass sie als ADS-Kinder mit Beruhigungsmitteln zumediziert werden müssen?
Neben dem scheinbar noch klar erkennbaren Entertainment – Auswüchsen haben sich Ableger etabliert, die genau das selbe betreiben, aber auf anderen Spielwiesen. Dazu zähle ich das Infotainment, dass nicht von der Verantwortung der Informationsvermittlung lebt, sondern von Einschaltquoten und monatlichen Klickzahlen. Egal ob Nachrichten auf den Privatsendern oder Newsportale im Internet, das einzige was zählt, ist die Attraktion auf den Konsumenten, die Fähigkeit ihn durch die Emotionalisierung von Informationen zu fesseln. Ein anderes Feld wäre die direkte Ansprache niederer Triebe, von spaßigen Medienkritikern auch süffisant Tittitainment genannt. Gleichermaßen wird man dazu angehalten, sich auf Plattformen für soziale Netzwerke wie Studivz rumzutreiben. Auch hier gilt es wieder, Spaß zu haben und sich damit dem Kommerzialisierungskonzept eines Seiten-Anbieters preiszugeben. Blogs sind da auch nicht groß anders. Ich opfere Zeit und beglücke mich mit der Illusion, dass es jemanden interessiert, was ich schreibe. Will man es noch positiv sehen, so könne man wenigstens dem aufklärerischen Diskursideal folgend auf den freien Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmern verweisen, aber ich habe Zweifel, dass überhaupt jemand diesen Text bis hierher gelesen hat. Lange Texte versprechen keine Befriedigung des Lustzentrums. Am Besten, man schreibt kurz und witzig. Um noch ein Paradoxon reinzuschieben, ihr, die ihr diesen Text nicht gelesen habt, weil er euch zu lang ist, seid genau die Medienopfer, um die ich mich sorge.
Nun ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, die anprangernde Aufzählung zu beenden und ein Fazit loszuwerden. Meines lautet so: wir leben in einer Welt verlockender Unterhaltungsangebote, die selbst dort lauern, wo man sie nicht vermutet. Man wird ihnen schon frühzeitig gefügig gemacht und nach ausreichendem Konsum in eine fatale Abhängigkeit gebracht. Über die sozialen Implikationen möchte ich jetzt nicht auch noch referieren, aber Arbeit hat oft ein geringes Spaßlevel. Sicher, manche sprechen stärker darauf an als andere. Auch die Folgen sind bei jedem Menschen verschieden. Aber selbst wenn man den negativen Ton bei der Betrachtung des Unterhaltungskonsums weglässt, so bleibt schon die schiere Zeit, die vergeudet wird, ein Drama. Als die Gewerkschaften vor Jahrzehnten die Senkung der Arbeitszeit auf heutige Niveaus erkämpften, um den Menschen die Entwicklung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen, hatten sie bestimmt nicht im Sinn, dass man die Freizeit vor der Glotze oder im Endlos-Chat verplempert.
17. Juli 2008, 16:12 von Andreas Jahn Kommentare [3]
Angesichts der aktuellen Debatte um eine Verbesserung der Sozialverträglichkeit steigender Energiepreise, sehe ich mich genötigt, noch einmal meine Gedanken dazu in die Runde zu werfen.
Das Problem sieht derzeit so aus: alles wird teurer, vor allem der Sprit und die Heizung, und viele Menschen sind damit finanziell überfordert.
Folgende Lösungsansätze werden diskutiert: die Pendlerpauschale soll wieder eingeführt werden, es soll beim Strom Sozialtarife geben, die Kraftstoffsteuer soll gesenkt werden.
Und nun gibt’s ein Hickhack, was wie wirken würde und wie man was bezahlen soll.
Schauen wir uns mal mögliche Wirkszenarien an. Man nimmt den Leuten weniger Geld ab, die können wieder unbefangener Autofahren, Heizen und Fernsehen und auch ein Urlaub ist wieder drin. Jedenfalls so lange, bis der Ölpreis weiter gestiegen ist, was bei ungebremsten Verbrauch recht wahrscheinlich ist, und man plötzlich den gleich Benzinpreis hat wie zuvor. Der Unterschied wird dann sein, dass der Staat dann schon weniger Geld, man noch mehr CO2 in der Luft und man das Wertvollste überhaupt, nämlich Zeit verloren haben wird. Dann wird, wie auch heute, das Jammern groß sein und man wird auch dann kein Geld für Hybridautos, Energiesparlampen, Sonnenwärmekollektoren und Gebäudedämmungen haben, denn man ist ja mit dem durch staatliche Zuschüsse gesparten Geld in den Urlaub gefahren..
So lange es den Verbrauchern nicht klar ist, dass nur durch eine Erneuerung der privaten Infrastruktur die Anhängigkeit von steigenden Energiepreisen gemindert werden kann, ist jede Steuersenkung rausgeworfenes Geld. Warum wollten denn die Grünen damals einen Benzinpreis von 5 Mark? Weil sie böse Menschen sind? Vermutlich eher, weil sie über den schmerzlichen Griff in die Brieftasche ein Umdenken beim Verbraucher erzeugen wollten, zumal der damalige Preis gar nicht die Folgekosten der Ölförderung beinhaltete. Den Schmerz haben wir heute und was passiert? Kauft man Drei-Liter- oder Hybridautos? Nö, man ruft nach Steuersenkungen und mehr Atomkraftwerken. Klar, nun ist ja auch das Geld alle. Dabei sind noch immer keine Fahrzeugflotten erneuert oder CO2-Bilanzen im Ölpreis berücksichtigt worden. Heute müssten die Grünen nach 8-10 Mark rufen!
Wie wäre es denn mit Umrüstdarlehen? Man schaut, was eine Wiedereinführung der Pendlerpauschale oder eine Energiesteuersenkung kosten würde und steckt das Geld den Leuten zu, die sich ein Drei-Liter-Auto kaufen wollen. Oder einen Sonnenkollektor fürs Warmwasser auf dem Hausdach. Das könnte man wie das Bafög organisieren, die eine Hälfte der Kosten gibt’s geschenkt, die andere kann man in fünf Jahren abstottern und zwar mit genau dem Geld, welches man durch die Modernisierung an Heizkosten spart. Und danach macht man privat Gewinn und der Staat kann sich mit reduzierten Treibhausgasemissionen brüsten. Tadaa! Aber das wäre zu einfach.
Gestern beim Billigbäcker (war nur gucken, ich ging dann doch woanders hin..):
Ein Mann fragt einen gerade pausierenden Angestellten (dieser klingt osteuropäisch)
Kunde: Das Havelbrot, was ist das denn für eins?
Bäcker: Was?
K: Ist das ein Graubrot?
B: Neunundfünfzüsch, Roggen
K: Wie bitte?
B: Ist neunundfünfzüsch, Roggen
K: Äh, was?
B: Neunundfünfzüsch Prozent, Roggen (betont deutlich gesprochen)
K: Ahjagut und ist das dann eher grau?
B: Ist halt Roggen, neunundfünfzisch Prozent
K: Ja, aber ist das dann eher ein Graubrot?
B: Woas?
K: (genervt) Vielen Dank!..
geht raus
B: (alleine) was soll das, grau, ist halt Schwarzbrot..
Ein Tagesschau – Kommentar hat kürzlich noch mal die prekäre politische Lage der Deutschen im Afghanistan-Krieg beleuchtet. Die Grundthese war, dass wir uns im Norden des Landes verstecken und hoffen, dass uns niemand zu ernsthaften Kampfhandlungen im großen Maßstab heranzieht, wozu die Nato-Partner ein Recht hätten, denn schließlich wurde nach 9/11 der Bündnisfall ausgerufen. Würden wir uns dem verweigern, kämen wir unseren Pflichten nicht nach. Das sähe für Deutschland nicht nur verheerend aus, das würde auch massiv das Bündnis entwerten. Andererseits waren wir ja noch nie begeistert vom Krieg am Hindukusch und eine Ausweitung deutscher Aktivitäten in den Süden, würde nicht nur die große Koalition spalten, es würde überhaupt den Bundestag ins Chaos stürzen.
Harter Tobak. Ich habe das gleich mal nachrecherchiert und so wie ich das sehe, kann man zur rechtlichen Grundlage unserer Präsenz vor Ort geteilter Meinung sein.
Tatsächlich ist es so, dass nach dem 11.September der Bündnisfall ausgerufen wurde. Dieser erlaubt gemäß Nato-Satzung den Mitgliedsstaaten Gewalt zum Schutz des Bündnisses anzuwenden und zwar so lange, bis die Uno die Sache übernimmt und die akute Gefahr gebannt ist. Was man danach mit der Uno zusammen unternimmt, steht auf einem anderen Blatt. Gut, unterstellen wir, die Taliban wären ein staatsähnliches Gebilde, dass die USA angegriffen hat oder zumindest den Tätern Unterschlupf gibt, auch wenn das invasorische Verteidigungsrecht im zweiten Fall schon wieder fraglich wäre. Also angenommen, der Krieg der USA im Herbst und Winter 2001 wäre damit in Ordnung gegangen, dann hätten wir da auch mitmischen können. Bündnisfall eben. Aber da wäre der Feldzug eh schon zu Ende gewesen, bevor das Verfassungsgericht das ausdiskutiert hätte.
Jedenfalls hat die Uno dem sich neu konstituierenden Staat eine Schutztruppe an die Seite gestellt, die ISAF. Die hat vom Sicherheitsrat friedenserzwingende Befugnisse bekommen, sie darf also ohne Einverständnis der Konfliktteilnehmer für Ruhe sorgen. Das ist übrigens eine Kompetenz, die neben dem Beobachten und Beschützen (im Einverständnis mit den Konfliktparteien) die dritte Kernkompetenz, die UN-Blauhelme an sich haben müssten, aber das ist wieder eine Rechtslücke, die man seit der Uno-Gründung noch nicht hat schließen können. Also wurden wieder von der Uno, wie auch im Korea- oder zweiten Golfkrieg Einzelstaaten oder Bündnisse ermächtigt, den Frieden zu erzwingen. Das ISAF-Mandat galt erst für Kabul und wurde später aufs ganze Land ausgeweitet. Damit gibt es formell in ganz Afghanistan keinen Fleck mehr, der nicht vom Uno-Mandat abgedeckt ist. Also ist der Nato-Bündnisfall erledigt. Aber er besteht noch. Und er ist bis heute, also nur 7 Jahre nach der Ausrufung, noch immer nicht mit einer erfüllbaren Zielsetzung versehen worden. Ironischerweise könnte man uns in jeden Konflikt mit hineinziehen, der zwischen der Nato und terroristenbeherbergenden Staaten ausbricht, solange die Beweislage klar ist. Aber gerade in Afghanistan gibt es keinen Rechtsanspruch der Nato-Partner auf deutsches Engagement, dort gibt es nur Selbstverpflichtungen gegenüber der Uno und bündnisinterne Solidarität. Trotzdem kann es nicht schaden, wenn man nach der Aufregung vom 9/11 langsam mal wieder institutionalisierte Pfade beschreitet und vom unbürokratischen Aktionismus abrückt.
Panik! Gleich am ersten Tag! Und dann schon um 12:15. Hunderte Augenpaare werden mich anstarren! Was soll ich nur anziehen?! Und das bei der Datenlage! Was soll ich nur erzählen! Ich hyperventiliere schon wieder!! Ahhh…