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Happy Mauerfall-Day!

Über die Pros und Contras der Wiedervereinigung und der folgenden 20 Jahre könnte man etliche Seiten füllen, aber im Kern möchte ich Folgendes festhalten:

1. Das war das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ohne Wende und Wiedervereinigung würde ich heute kein blogschreibender, weltreisender, freigeistiger, südfrüchtemampfender, selbstbestimmter, (politisch) angstfreier, (räumlich) freizügiger, im Mittelmeer planschender, eigene Interessen und Neugier befriedigender Akademiker sein. Gleiches gilt für den Zeitpunkt. Besser gings für mich nicht.

2. Ohne die westdeutsche Hilfe würden hier heute nur 8 Millionen Menschen leben und diese auf einem Wohlstandsniveau wie in der Ukraine. Wenn heute von der Vergreisung und Verdummung des Ostens die Rede ist, dann mag ich mir nicht vorstellen wollen, wie es hier ohne die Transferleistungen aussehen würde. Danke.

9. November 2009, 13:15 von Andreas Jahn Kommentare

Wendetagebuch: 22+23.10.1989

Sonntag, 22.10.1989

Heute ist Elternbesuchstag. Ich habe mit viel Ungeduld nach dem Frühstück auf den Besuch gewartet. Als sie dann kamen zeigte ich ihnen all das Schöne, was mir hier gefällt. Doch leider verging die Zeit zu schnell. Ich begleitete sie noch bis zum Tor bis sie dann abfuhren.
Am Abend hatten wir dann noch ein wenig Freizeit.

Montag, 23.10.1989

Heute hatten wir vom Ende der Schule an, bis zum Abend Freizeit die wir aber nutzten..

Anmerkungen:

- Zum Besuchstag kamen die Eltern, man lief dann rum (z.B. zum Aquarium in der Schule), kaufte sich am Kiosk ‘ne Limo und irgendwann fuhren sie wieder weg. Das war ziemlich hart, allerdings wußte ich schon, dass ja nun Halbzeit ist. Der geneigte Leser mag jetzt das Heimweh für den Hauptgrund meiner Niedergeschlagenheit halten, aber ich war 11, hatte schon vier Ferienlager, ein Trainingslager (als alte Faustball-Nachwuchs-Hoffnung) und diverse Wettkämpfe mit Wochenend-Übernachtungen hinter mir. Die Pionierrepublik war da anders.

Im Übrigen war ich mit dem Unwohlsein nicht allein, schon nach ein paar Tagen hatte sich einer aus meiner Stube nach Hause verabschiedet. Bauchschmerzen und so.

- Am Montag ist der Eintrag erstaunlich kurz und endet ohne logischen Abschluss. Offenbar wollte ich mehr schreiben, kam aber nicht dazu.

- In der Kollegenrunde kamen wir auch auf diesen Agitatoren-Lehrgang zu sprechen und dabei kam heraus, dass auch Conny dort war und zwar zur selben Zeit beim gleichen Lehrgang. Nur an ihre Hausnummer konnte sie sich nicht mehr erinnern. Wie klein doch die DDR war..
Im Übrigen meinte sie auch, dass da eh nur Leute mitgemacht hätten, deren Eltern rote Socken waren. Hmm. Wirklich thematisiert haben wir das zuhause nie. Interessieren würde mich das schon, aber den Familienfrieden dafür riskieren?

9. November 2009, 12:30 von Andreas Jahn Kommentare

Wendetagebuch: 21.10.1989 (Sa)

Heute war wieder die Stunde der Ordnung und Sauberkeit. Wir mußten alles sauber machen, da der Besuchstag der Eltern schon morgen ist.
Am Nachmittag gingen wir Kegeln, was uns sehr viel Spaß bereitete. Danach gingen wir zur mongolischen Königsjurte. In ihr befinden sich 25 wertvolle Teppiche. Sie wurden alle mit der Hand hergestellt. Die Jurte wurde 1928 hergestellt. Von ihr gibt es bloß noch 2 weitere. Sie wurde 1973 Erich Honecker bei einem Staatsbesuch geschenkt, der sie dann 1974 an die Pionierrepublik weitergab.
Dann machten wir noch am Pflegeobjekt weiter. Im Haus räumten wir dann auch noch auf.
Am Abend überraschten uns unsere Pileis noch mit einer Disko. Da wir uns vorher schon gewaschen hatten ging sie sehr lange.

Anmerkungen:

- das Letzte erläutere ich lieber sofort: Natürlich wurde auf Körperpflege geachtet und es gab vor dem Schlafengehen eine allgemeine Waschzeit. So weit, so normal. Die Disko im Anschluß würde man heute neudeutsch als Pyjama-Party bezeichnen. Wie lange kann sie gegangen sein, vielleicht bis halb zehn?

- Nur zur Erinnerung, Samstagsbeschreibungen implizieren immer auch Schulstunden am Vormittag

- Kegeln, Jurte, Disko.. morgen kommen die Eltern, da ist es gut, wenn die Kinder frische positive Erinnerungen vorweisen können.

- Das ständige Putzen wurde immer mehr zum Ritual. Wie dreckig kann es schon sein, wenn eh schon (fast?) täglich gefegt und gewischt wird. Man macht es halt und es ist völlig nebensächlich, ob da Dreck ist oder nicht. Auch das ist eine Unart, die sich bei mir bis heute gehalten hat und die mir A. mit Großmut nachsieht.

- Die Königsjurte war aufregend exotisch und erinnerte sofort an den entsprechenden Märchenfilm Die goldene Jurte. Das war eine Sache, die einen ganz eigenen Zauber hatte. Wir durften uns da reinlümmeln und ich glaube, da wurde auch was vorgelesen.
Honeckers Darstellung als Freund und Förderer der Jugend fiel dabei nicht besonders auf. Das war er ja eh schon..

7. November 2009, 22:28 von Andreas Jahn Kommentare

Wendetagebuch: 19.+ 20.10.1989

19.10.1989

Heute wurden wir in die Hausaufgabenzeit eingewiesen. Dafür bekamen wir 1 Stunde Zeit. Danach arbeiteten wir am Pflegeobjekt.
Frauke und Ines boten am Abend eine sehr lustiges Theaterstück dar. Leider verging die Zeit so schnell.

20.10.1989

Heute waren wir wieder in der Schule. Am Nachmittag war wieder eine Gruppenratsversammlung in der wir unsere ‘Räte ABCs’ wiederbekamen, die wir gestern abgegeben hatten.
Am Abend waren wir dann im Kino und sahen uns einen sehr guten Film an.
Ich freue mich jetzt schon auf den Sonntag, weil da Elternbesuchstag ist.

Anmerkungen:

- Frauke und Ines: das waren zwei Pionierleiterinnen und die waren sogar ziemlich nett. An Ines kann ich mich nicht mehr erinnern, aber Frauke wäre auch im Westen als Alternative durchgegangen. Gleichzeitig war sie aber auch für unser politisches Weltbild mitverantwortlich, wie mein Eintrag für besondere Mitarbeit im gestrigen Agitatoren-Lehrgang dokumentiert:

Trotzdem würde ich ihr sogar abnehmen wollen, dass sie die politische Arbeit am Pionier tatsächlich als aktiven Friedensbeitrag empfunden hat. Nicht umsonst war selbst bei ihren Initialen die Friedenstaube immer mit dabei:

Doch es gab auch andere. Eine von den Pileis lief außer mit einem herrischen Gesichtsausdruck auch mit Kampfstiefeln, grünem Make-Up und einer Jacke rum, die ich heute als grüne Bomberjacke beschreiben würde. Ich habe absolut keine Ahnung, wie das ging.

- Pflegeobjekt: hatte ich schon erwähnt, dass jede Brigade für ein Pflegeobjekt verantwortlich war? Unseres war die eine Hälfte des Hausumfelds, wo es eine Strasse zu fegen gab, das Laub vom Gras geharkt werden musste, eventuell auftretender Müll (wir hatten ja nichts..) zu entsorgen war und überhaupt alles seine Ordnung haben sollte. Dies ist natürlich zu unterscheiden von der ‘Stunde der Ordnung und Sauberkeit’, wo man sich der Innenraumpflege widmete..

- Die Hausaufgabenzeit war toll. Die Aufgaben waren nach 20 Minuten hingeschludert und dann konnte man sich ganz ungezwungen ein Buch nehmen und in gemäßigter Lautstärke Konversation betreiben. Und das im eigenen Zimmer und völlig unbeaufsichtigt! (Natürlich kein Einzelzimmer, wir waren zu sechst)

- unsere Räte-ABCs wiederbekamen.. vom Korrekturlesen..

- Elternbesuchstag: Also das kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich mich selbst nach dem ersten Ferienlager mit 7 nicht so gefreut habe, meine Eltern wiederzusehen.

- Vielleicht bin ich in dem Punkt etwas übersensibel, aber ich finde meine Formulierungen ziemlich hirngewaschen. Dabei war ich nie überzeugter Pionier, mein Opa hat mir schon früh deutlich gemacht, dass das im Osten alles Quatsch ist. Aber angepasst war ich trotzdem. Ich kannte ja nichts anderes.

Da muß ich an gestern denken, als bei ‘Hart aber fair’ ein westdeutscher Historiker sich darüber ereiferte, dass die anwesenden Ex-DDR-Bewohner die Mauer nicht permanent als Gefängniswand vor ihrer Nase empfunden hätten. Mit solchen Aussagen würde man den Unrechtsstaat relativieren.

Ich kann dazu nur meine eigene kindliche Sicht beschreiben. Wenn man am Meer wohnt und weiß, dass hinter dem Horizont das gelobte Land ist, dann ist man natürlich begierig, es mit eigenen Augen zu sehen. Aber wer käme auf die Idee das Meer abzureißen oder es sonstwie wegzuzaubern. Es ist einfach da und man kann es nicht ändern, es ist wie eine Naturkonstante. Und so denkt man auch nicht mehr darüber nach, man lebt und denkt auf seiner Seite des großen Wassers.

5. November 2009, 22:44 von Andreas Jahn Kommentare [2]

Neues von der Pandemie

Nun ist es so weit, der Herbst ist da, der Impfstoff auch, nun kann die Pandemie eigentlich losgehen. Bislang verraten die Zahlen der WHO (vom 25.Okt) allerdings nur, wie viele sich bislang insgesamt angesteckt haben: immerhin rund 440k!

Dabei wird gern vergessen, dass die Zahlen über den Gesamtzeitraum aufsummiert werden und nahezu lineare Kurvenverläufe sind da sehr verdächtig. Die Veränderung zur Vorwoche halte ich hingegen für etwas aussagekräftiger:

Hier möchte ich anmerken, dass die Zahlen anfangs etwas ungenau gemeldet wurden, was die starken Ausschläge Mitte August noch erklärt. Irre ich mich oder sind seitdem die Neuansteckungszahlen eher gleich geblieben, wenn nicht gar gesunken?

Na gut, warten wir die Entwicklung in der Ukraine ab, die Zahlen der letzten Tage sind noch nicht drin. Außerdem muß auch gesagt werden, dass seltsamerweise die Mortalität kontinuierlich angestiegen ist. Weltweit liegt sie bei ziemlich üblen 1,3%, in Europa hat sie sich auf 0,44% hochgeschraubt, was in etwa der Grippe des Winters 2002/3 entspricht (damals 0,4%).

5. November 2009, 12:33 von Andreas Jahn Kommentare [2]

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